Liebe Freunde, Mitglieder, Interessierten und Förderer, da ich heute zumindest einen Teil des Tages der deutschen Einheit in Berlin verbringe, eine Stadt voller Widersprüche, aber neben der Frankfurter Paulskirche und dem Bonner Parlament aber eben auch die Keimzelle unseres wunderbaren Landes, darf ich ein paar Gedanken zusammenfassen und mit Euch teilen.
Rechtsprechung ohne Werte ist wertlos
Eigentlich weiss ja keiner, was genau wir an diesem Tag feiern. Denn vorallem feiern wir den Beitritt der östlichen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Rechte, die für viele Mitglieder nur auf dem Papier bestehen, die vielen Kindern vorenthalten werden. Statt diesen Tag also zu „feiern“, sollte er eine Mahnung sein, dass wir unsere Freiheit und unsere Grundrechte jeden Tag aus neue beschützen und erkämpfen müssen.
Deshalb habe ich mir auch erlaubt, dieses obige Zitat von Helmut Kohl zweckzuentfremden. Doch hat er nicht recht? Erleben wir nicht oft, dass Richter den „einfachen“ Weg gehen, um ein Verfahren abzuschließen, und der wesentliche Wert des Kindeswohles vernachlässig oder gar negiert wird? Brechen wir nicht oft unser Wort, wenn wir Kinder um ihre Meinung, um ihren Willen in der Anhörung fragen und diesen dann nicht berücksichtigen?
Und dieses Ziel ist es eben oft, ein Ende der Verfahren zu erreichen, nicht ein Ende des Streites.
Richter unterscheiden sich vom Weltenherrscher weiters dadurch, dass sie weder allmächtig noch allwissend, sondern selbst fehleranfällig und nicht frei von Sünden sind.
Dr. Dworak in Sieben Sünden des Sachverständigen aus Sicht eines Richters
Hier darf leider insbesondere acedia, die Faulheit, nicht unbeachtet bleiben. Wenn Richter auch selten aus bösem Willen Arbeit, die eigentlich ihnen zukommen würde, auf den Sachverständigen abwälzen, so kommt es – und hier kann ich mich keineswegs ausnehmen – doch immer wieder vor, dass unter Zeit- und Arbeitsdruck und zunehmender Aktendicke beim Gutachtensauftrag der Weg des geringsten Widerstands, insbesondere der Verweis auf ein nicht wirklich kritisch reflektiertes und auf Schlüssigkeit
und rechtliche Relevanz geprüftes Vorbringen, gewählt
wird.
Richter sind nicht allmächtig
Richter sind eben, anders als es die richterliche Unabhängigkeit glauben machen möchte, nicht allmächtig. Durch ihre Bindung an die Grundrechte sind sie stärker als jedermann verpflichtet, für das Recht einzutreten.
Dr. Kreyssig äußerte sich hierzu wie folgt:
Und weiter:
„Trotzdem glaube ich, dass der Obervormund, wie die volksverbundene Sprechweise den Vormundschaftsrichter nennt, unzweifelhaft die richterliche Pflicht hat, für das Recht einzutreten. Das will ich tun. Mir scheint auch, dass mir das niemand abnehmen kann. Zuvor ist es aber meine Pflicht, mir Aufklärung und Rat bei meiner vorgesetzten Dienstbehörde zu holen.“
zitiert nach Döring (Hrsg), Lothar Kreyssig: Aufsätze, Autobiografie und Dokumente, S. 146
Grundrechte müssen verteidigt werden
Der Tag der Deutschen Einheit verdeutlicht daher wie kein anderer Tag, dass wir unsere Grundrechte verteidigen müssen:
„Eine Verfassung lebt davon, dass sich jeder Einzelne für sie einsetzt und sich bewusst ist, was diese Rechte für ihn bedeuten. Toleranz und Respekt müssen gelebt und verteidigt werden. Sonst können der Rechtsstaat und Demokratie nicht verteidigt werden. So wie die Demokratie lebt auch die Verfassung davon, dass sich die einzelnen Bürger für den Erhalt und den Schutz der Rechte einsetzen.“
Friedrich Naumann Stiftung
Grundrechte sind vorallem Abwehrrechte gegen den Staat:
Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.
BVerfGE 7, 198f
Ich möchte daher allen da draußen den Mut machen, in Verfahren auf die Grundrechte hinzuweisen und diese aktiv einzufordern.
Ich weiß, dass viele Richter das nicht möchten, ehrliche und beweisbare Kritik zu aggressivem Konter oder potentiellen nachteiligen Entscheidungen führen kann. Dass staatliche Systeme zusammenhalten und die Kritik am Jugendamtsmitarbeiter auch durch Richter beinahe persönlich genommen werden kann.
Doch davon dürfen wir uns nicht einschränken oder behindern lassen. Denn das ist der Sendungsauftrag unseres Grundgesetzes:
Wir wünschen einen wunderbaren 3. Oktober.
Ihr Verein Erzengel